Der Doppelhaushalt 2011/12 für den Freistaat Sachsen ist mit den Stimmen der regierenden CDU/FDP-Koalition beschlossen worden. Die Medien bezeichnen das Werk als „einen noch nie dagewesenen Sparhaushalt“, die Landesregierung begründet ihre Entscheidung mit sinkenden Zuweisungen und der Generationengerechtigkeit.
Mit der Entscheidung geht die Kommunalisierung der Landesbühnen Rathen, wodurch den Kulturräumen in Sachsen ca. 3,7 Mio. Euro verloren gehen. Die sächsischen Kulturschaffenden wehrten sich dagegen mit der von der Initiative „Leipzig plus Kultur“ initiierten „Leipziger Erklärung“, die 216 Einrichtungen und Projekte aus kommunaler und freier Trägerschaft unterzeichneten. Erfolglos, was das Gesetzgebungsverfahren angeht.
Es hat nicht genützt, zu mobilisieren, es hat nicht gewirkt, dass am 13. Dezember in vier Kulturräumen mit Verweis auf die „Leipziger Erklärung“ protestiert wurde. Die Landtagsabgeordneten zeigten sich unbeirrbar in ihrem Abstimmungsverhalten. Die warnende Stimme derer, die im Freistaat das kulturelle Angebot gestalten, bis in die letzten Winkel ein solches Angebot zum Teil überhaupt erst möglich machen, wurde überhört. „Wegen einem Prozent weniger Geld müsse man nicht auf die Barrikaden gehen“, meinte ein CDU-Landtagsabgeordneter. Dass es die Kulturschaffenden Sachsens trotzdem beinahe geschlossen für notwendig hielten, auf die Gefahren dieser weiteren Kürzung hinzuweisen.
Auch, wenn Leipzigs Oberbürgermeister nun gegen diese Entscheidung Verfassungsklage einreichen wird, das Jahr 2011 wird eine Zäsur in der Kulturförderung in Sachsen bringen. Das Angebot wird schmaler werden, die Bedingungen, unter denen Kultur stattfinden kann, werden sich verschlechtern. Nicht nur der Freistaat kürzt die Kulturmittel, auch viele Städte und Gemeinden – die gravierendsten Beispiele sind Chemnitz und Leipzig – streichen ihre Kulturhaushalte zusammen. Der Trost, dass nachfolgende Generationen weniger öffentliche Schulden zu schultern haben mischt sich mit der traurigen Gewissheit, dass sie auch mit weniger Kultur werden leben müssen.
Die wesentliche Frage für die Zukunft ist daher, welche Kultur und wie viel wir uns leisten wollen. Die Antwort darauf darf nicht den öffentlichen Verwaltungen, den Kommunalparlamenten und der Landesregierung überlassen bleiben. Deren Vorstellungen von Kunst und Kultur mischen sich mit Begehrlichkeiten, die mit Stadtmarketing, Tourismus, Standortmerkmalen und Repräsentation zu tun haben. Die Bürger, die Kulturschaffenden und Künstler müssen sich der Herausforderung stellen, ihre Kunst, ihre Kultur und deren identitäts- und demokratiestiftende Kräfte zu schützen und zu erhalten. Das bedeutet, um jeden Cent öffentlicher Förderung zu kämpfen. Das bedeutet aber auch, unabhängig von Subventionen Räume, Angebote und Kunstwerke zu schaffen, die dem repräsentativen Kunst- und Kulturbegriff etwas entgegenzusetzen haben. So wichtig, wie Gewandhäuser, Semperopern, Gemäldegalerien und Stadttheater sind, so wenig decken sie die Vielfalt kultureller Entfaltungsmöglichkeiten ab.
Sollte die „Leipziger Erklärung“ bewirkt haben, dass sich in Hoch- wie Basiskultur, in städtischen wie freien Einrichtungen die Erkenntnis bahn bricht, dass diese Herausforderung gemeinsame Anstrengungen erfordert, dann wäre sie ein echter Erfolg. Diesem ersten Schritt müssen weitere folgen, viele weitere. Die Alternative wäre kultureller Kannibalismus.