Kunstaktion „Das Verschwinden“ im Rathaus

 24. November 2018 – von Leipzig + Kultur

Donnerstag, 22.11.2018, 13:59 Uhr, Neues Rathaus Leipzig: Die Obere Wandelhalle ist erfüllt von vielstimmigem Gesang, Instrumentalmusik, probenden Schauspielre*innen und Tänzer*innen, die diesen ehrwürdigen Ort in ein buntes Kunst-Kalaidoskop verwandeln.

Gebannt schauen die Stadträt*innen diesem ungewöhnlichen Treiben zu und vergessen darüber, dass in wenigen Augenblicken ihre Ratssitzung beginnt, in der es um den Kommunalhaushalt für die kommenden zwei Jahre gehen wird. In diesem Moment springt die Uhr auf 14:00 Uhr, die Kakophonie der Künste wird von einem lauten Knall übertönt und plötzlich stehen alle gemeinsam in einem Goldregen. Die Künstler*innen wirken wie erstarrt, bis das letzte Goldblättchen zu Boden geschwebt ist. Dann löst sich diese phantastische Szenerie auf, die Akteure werden „privat“ und verschwinden aus dem Bild.

Was bleibt ist verblüffende Stille, sind verblüffte Gesichter. Für lange Sekunden. Und so manchem Politiker dämmert es: So wird sich unsere Stadt anfühlen, wenn sie von ihren Künstler*innen verlassen wurde, weil sie von ihrer Arbeit hier nicht leben können.

523 Veranstaltungen der Freien Szene allein im November 2018. Workshops, Kurse und Filme in den Programmkinos NICHT mitgezählt. Das macht die Kulturstadt Leipzig aus. Das macht sie für uns Leipziger so lebenswert und für unsere Gäste so anziehend.

Aber was wäre, wenn es diese Veranstaltungen aufgrund zu knapper Mittel nicht gäbe? Darum ging es in „Das Verschwinden“, der zweiten Aktion im Rahmen der Kampagne #kulturstark im Kontext der Haushaltsdebatten des Leipziger Stadtrates. Für zwei Stunden wurden die Gänge des Neuen Rathauses in Kunstorte verwandelt. Die auftretenden Künstler*innen hinterließen kurz vor ihrem Verschwinden glitzernde Spuren auf dem Boden und steckten den Zuschauern kleine goldene Zettel zu, auf denen ihre prekäre Situation geschildert wird: „Ich hätte gern länger für Sie gespielt, muss aber heute noch 5 Stunden kellnern.“ „Wir hätten gern woanders geprobt, doch für einen Probenraum reicht das Geld nicht.“ „Das Tageshonorar für meine künstlerische Arbeit beträgt in Leipzig 47,- Euro.“ „Wir freien Künstler*innen stemmen 50% des Leipziger Kulturlebens, bekommen dafür aber nur 4% vom Kulturetat.“

Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Die Politiker*innen müssen nun handeln. Für ihre Kulturstadt. Für eine faire (Gleich)Behandlung ALLER Künstler*innen, die unsere Stadt beleben und attraktiv machen. Für mehr Geld für die Freie Szene. Für einen gerechteren Haushalt 2019/20.