#kulturstark: finanzieller Fehlbedarf der Freien Szene

 19. September 2018 – von Sebastian Weber

Trotz ihres immensen Beitrags zur Kulturstärke Leipzigs werden freie Künstler*innen und Kulturinitiativen nach wie vor beschämend schlecht bezahlt und sind oft gezwungen, ihre Profession zu Bedingungen unter dem Existenzminimum auszuüben.

Die Freie Szene erhält als öffentliche Förderung für ihre Arbeit gerade einmal 4% vom Kulturetat der Stadt. Die Folgen für die Akteure haben wir für das Haushaltsjahr 2017 untersucht und sind zu diesen alarmierenden Ergebnissen gekommen.

Künstler*innen erreichen selbst in geförderten Projekten noch nicht mal Mindestlohn

2017 lagen die Stundenhonorare in den von der Stadt Leipzig geförderten Projekten durchschnittlich bei 5,- € und damit bei ca. der Hälfte des gesetzlichen Mindestlohns. Die freien Kunst- und Kulturschaffenden sind  direkt von Armutsfolgen betroffen.

Auch die Lage der Institutionen ist alarmierend. Die Soziokulturellen Zentren werden von der Stadt mit 2 Personalkostenstellen und einem anteiligen Miet- und Betriebskostenzuschuss unterstützt. Der in der Institutionellen Förderung enthaltene Projektkostenzuschuss wird  von den Zentren bereits für die Betriebskosten verbraucht.  Mit nur zwei Angestellten und ohne inhaltlichen Etat sollen die Häuser 365 Tage im Jahr geöffnet sein, täglich Kulturveranstaltungen anbieten, ihre Räumlichkeiten und weitere Ressourcen anderen Initiativen zur Verfügung stellen und künstlerische und soziokulturelle Projektarbeit leisten. Das ist unmöglich.

Zwar ist die Kostenstruktur bei Theaterzentren, Festivals und anderen Institutionen eine andere, jedoch stellt sich deren Unterversorgung vergleichbar, zum Teil sogar noch dramatischer dar.

WAS DIE FREIE SZENE BRAUCHT

Zur Berechnung von Mindesthonoraren gibt es in verschiedenen Sparten unterschiedliche Modelle.

Im Förderprogramm „Kultur macht stark“ legt die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien ein Mindesthonorar für Freiberufler in Höhe von 35,- € pro Stunde fest. Geht man von dieser Berechnungsgrundlage aus, muss die Projektförderung der Stadt von ca. 1 Mio auf 5,3 Mio angehoben werden, um ihren Anteil an den Mindesthonoraren aufzubringen.

Um als Zwischenziel wenigstens den gesetzlichen Mindestlohn einzuhalten, sind immerhin 2,1 Mio Euro städtische Projektförderung erforderlich.

Um die Soziokulturellen Zentren mit den dringend benötigten 4 Personalstellen und einem Projektetat von 10% der Institutionellen Förderung auszustatten, muss die Institutionelle Förderung der Stadt um 90% steigen. In den anderen Bereichen der Institutionellen Förderung liegt der Zuwachsbedarf zwischen 66% und 160%, so dass die Institutionelle Förderung insgesamt von 4,8 Mio auf 9,5 Mio verdoppelt werden muss.

Für einen Zwischenschritt mit 3 Personalstellen für die Soziokulturellen Zentren und einem angemessenem Aufwuchs in den anderen Bereichen der Institutionellen Förderung sind wenigstens 7,3 Mio erforderlich.

9 Millionen Euro mehr für die Freie Szene

Hochgerechnet auf alle Sparten der Freien Kulturszene Leipzigs ergibt sich ein Bedarf von 14, 8 Mio städtischer Förderung, wenn bei gleicher Förderquote die bundesweit gesetzten Standards erreicht werden sollen. Das entspricht einem Aufwuchs der Fördermittel um ca. 9 Mio Euro.

Um in einem Zwischenschritt wenigstens Honorare zu erreichen, die dem gesetzlichen Mindestlohn entsprechen und um die gröbsten Schwierigkeiten bei den Kulturinstitutionen zu entschärfen, sind mindestens 9,3 Mio Euro städtischer Fördermittel nötig. Dies entspricht einem Aufwuchs der jährlichen Fördermittel um 3,6 Mio Euro.

Datenbasis

Um den Fehlbedarf der Kulturförderung zu ermitteln, hat die Initiative Leipzig plus Kultur das Honorarniveau im abgeschlossenen Projekthaushalt 2017 unter die Lupe genommen. Statistisch repräsentativ untersucht wurde das Honorarniveau in den geförderten Projekten der Sparte DaKu. Die Ergebnisse wurden in weiteren Umfragen und Stichproben auf die anderen Sparten übertragen.

Zur Ermittlung der finanziellen Situation der Institutionell Geförderten wurden die Haushalte der soziokulturellen Zentren sowie von Häusern den Sparten DaKu und kulturelle Bildung untersucht und die Ergebnisse auf die Gesamtförderung hochgerechnet.

Die zusammengefasste Berechnung steht als PDF zum Download bereit.