Wie Michael Faber den Stadtratsbeschluss versteht, nach dem die freie Kultur ab 2013 mit 5 Prozent vom Kulturhaushalt Leipzigs gefördert werden soll, hatte er schon beim letzten Runden Tisch am 3. Mai klar geäußert. Seiner Ansicht nach sollte es eine feste Fördersumme für die „Freien“ geben und vom Prozentgedanken abgerückt werden. Dass diese Festsumme kleiner ausfallen würde als die angestrebten 5 Prozent und dass sie später bei den Empfängern ankommen sollte, bezeichnete er als guten Kompromiss in Anbetracht der Haushaltssituation Leipzigs. Umstrukturierungen im Kulturetat lehnt Michael Faber ausdrücklich ab.
Nicht nur die Vertreter von „Leipzig plus Kultur“, auch die am Runden Tisch für ihre Stadtratsfraktionen und den Fachausschuss Kultur sprechenden Politiker konnten sich am 3. Mai dieser Sichtweise nicht anschließen. Zum Schluss der Sitzung wurde dem Kulturbürgermeister auf den Weg mitgegeben, seine Dezernatsvorlage zu überarbeiten. Der Stadtratsbeschluss von 2008, das war der Konsens, soll umgesetzt werden. Der Runde Tisch freie Szene hat keinerlei beschließendes Mandat. Der Fachausschuss Kultur hat ausschließlich beratende Funktion. Michael Faber hat seine Vorlage nicht geändert und am vergangenen Mittwoch der Öffentlichkeit vorgestellt.
Wie der Presse danach zu entnehmen war, stellt sich das Kulturdezernat eine Erhöhung der Fördermittel bis 2015 um jährlich 300.000 Euro vor. Nach Dezernatsrechnung käme man dann auf ca. 5 Mio. Euro Fördersumme für die freien Kulturmacher und in etwa auf die angestrebten 5 Prozent des Kulturhaushaltes. Wie einleitend angedeutet, ist diese Lesart exklusiv – dafür aber mit dem Oberbürgermeister und dem Kulturamt abgestimmt. Amtsleiterin Kucharski-Huniat unterstrich dies auf der Pressekonferenz: “ Wir haben vom OBM die feste Zusage für die Mittelsteigerung und damit zum ersten Mal Sicherheit bei der Entwicklung der Fördermittel für die freie Szene bis 2015.“
Die Dezernatsvorlage von Michael Faber ist ein Vorschlag. Ein „Spatz in der Hand“, wie Kucharski-Huniat sich ausdrückte. Er verspricht bessere Zeiten und Sicherheit. Wenn aber ein Stadtratsbeschluss von 2008 am Ende gekippt wird, wer garantiert, dass sich der Spatz 2015 nicht als winziger Zaunkönig entpuppt? Wenn die Basis aller Gespräche mit dem Kulturdezernat seit knapp vier Jahren so aufgekündigt wird, dann besteht ein gewisses Glaubwürdigkeitsproblem.
Noch eines stößt auf: Wer gestaltet in Leipzig eigentlich Kulturpolitik? Burkhard Jung hat als Ergebnis des Actori-Gutachtens vorgeschlagen, den Eigenbetrieben 2,7 Mio Euro mehr zu überweisen. Burkhard Jung hat Michael Fabers Vorschlag zur freien Szene – den Bruch des Stadtratsbeschlusses – abgenickt. Burkhard Jung hat Enrico Lübbe als Kandidaten für die Nachfolge Sebastian Hartmanns präsentiert, obwohl die Findungskommission laut übereinstimmenden Medienberichten (LVZ, nachtkritik.de, kreuzer-online) Volker Lösch vorgeschlagen hatte. Ist das die offene Diskussion auf der Suche nach zukunftsweisenden Ergebnissen, die in Leipzigs Kulturpolitik immer wieder angemahnt wird?
Wir denken nicht, dass die Umsetzung eines Stadtratsbeschlusses Ansichtssache ist und halten an unserer Forderung fest, dass die freie Szene ab 2013 wie beschlossen gefördert wird. Unsere Pressemitteilung dazu kann hier heruntergeladen werden.
2012-05-18 Pressemitteilung der Initiative Leipzig+Kultur
PS: Nach den Grünen haben auch die FDP und die LINKE mit einer Presseerklärung reagiert, in der sie die Vorlage des Kulturbürgermeisters ablehnt.