Arbeitsstipendien in der Leipziger Kulturförderung – ein Novum

 10. Juni 2020 – von Leipzig + Kultur

Seit gestern ist es möglich, beim städtischen Kulturamt Arbeitsstipendien für die Entwicklung von Kunst- und Kulturprojekten zu beantragen. In diesem Programm sind bis zu 3.000 € für einen Zeitraum von 3 Monaten möglich. Insgesamt stehen 150.000 € zur Verfügung (hier der Link zum Antrag).

Das ist völlig neu für Leipzig, denn bisher war dieses Förderinstrument von der Fachförderrichtlinie nicht gedeckt. Doch vor dem Hintergrund, dass die Corona-Krise die Realisierung von zahlreichen schon bewilligten Kulturprojekten unmöglich macht oder zumindest stark verändert/eindampft und die Kulturschaffenden der Freien Szene sowohl ihre Arbeitsmöglichkeiten als auch ihre Einkommensgrundlage verlieren, hat das Kulturamt reagiert. Hauptziel des Programms ist es, Chancen zur Zukunftsgestaltung zu eröffnen und den Antragsteller*innen ein Einkommen zu ermöglichen, das unabhängig von der „öffentlichen Präsentation der Projektergebnisse“ (O-Ton FFRL) ausgereicht werden kann. Dafür gebührt allen Beteiligten unsere Anerkennung und unser Dank.

Dass zur Finanzierung dieses Programms, ein Teil der Fördermittel der 2. Projektförderrunde des Jahres eingesetzt wird und diese dadurch von bisher 440.000 € auf 260.000 € sinken (30.00 € gehen in das Programm „Digitale Kleinprojekte“), ist eine Kröte, die wir Freien schlucken müssen. Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen und auch wir von Leipzig + Kultur glauben, dass mit dieser Umsteuerung mehr Geld bei den Akteuren ankommt – und das ist der entscheidende Punkt.

Aus dieser Überzeugung heraus haben wir die Initiative des Kulturamtes von Beginn an unterstützt und uns dafür eingesetzt, dass möglichst vielen konkreten Bedarfen der Leipziger Kulturschaffenden in diesem Programm entsprochen wird. So war es uns ein wichtiges Anliegen, dass

  • alle Antragsteller, die aufgrund der abgesenkten Projektfördermittel trotz ausreichender Bewertung durch die Fachbeiräte in der 2. Projektförderrunde 2020 abgelehnt werden müssen, die Chance bekommen, sich mit demselben Projekt für 2021 nochmals zu bewerben. Dies ist nach Absprache der Projektträger mit den zuständigen Fachmitarbeiter*innen des Kulturamtes nun möglich. [Da einige Fördermittelgeber außerhalb Leipzigs aufgrund der Corona-Krise ihre Projektlaufzeiten bis weit in das Jahr 2021 verlängert haben, können somit auch evtl. schon bewilligte Drittmittel gerettet werden.]
  • der Zugang zu den Arbeitsstipendien nicht nur ausgebildeten – gar diplomierten – Künstlerinnen offen steht, sondern allen, die sich in den letzten Jahren erfolgreich in Kulturprojekten engagiert haben. Der Nachweis der Antragsberechtigung über die Vita der Antragstellerinnen öffnet also auch allen nicht unmittelbar künstlerisch tätigen Kulturschaffenden die Tür.
  • sich das Programm nicht nur auf die „hehren Künste“ beschränkt, sondern auch für Akteure der kulturellen Bildung und der Soziokultur offen steht. Wir konnten erreichen, dass als zentrales Ergebnis der zu entwickelnden Projekte zwar immer noch ein künstlerisches Produkt entstehen soll, bei dessen qualitativer Bewertung jedoch auch andere Kriterien (z.B. pädagogische oder sozialräumliche Effekte) einbezogen werden, wenn diese als explizite Zielstellungen des Projektes formuliert sind.
  • sich nicht nur Einzelakteure bewerben können, sondern auch Kollektive, denn wir wissen, dass sich die Arbeitsweise in weiten Teilen der Freien Szene in diese Richtung entwickelt hat. Damit konnten wir uns leider nicht durchsetzen, so dass für Kollektive, die ein Projekt gemeinsam entwickeln wollen, nun nur die Möglichkeit gegeben ist, dass sich mehrere Einzelpersonen mit demselben Projekt bewerben und das Kulturamt in Zusammenarbeit mit den Fachbeirat entscheidet, wie viele Einzelstipendien ggf. für ein Projekt bewilligt werden.
  • nicht nur die Entwicklung vollkommen neuer Kultur- und Kunstprojekte gefördert werden kann, sondern auch die Weiterentwicklung (ggf. auch Anpassung an die Corona-Bedingungen) von schon vorhandenen Projektideen bzw. Konzepten, denen die Realisierung bisher versagt blieb. Wir glauben damit einen wichtigen Schritt in Richtung der Qualitätssicherung freier Projektarbeit getan zu haben, denn der fortwährende „Innovationszwang“, der der klassischen Projektförderung innewohnt, führt nicht in jedem Fall zu den besten Ergebnissen.

Zeit ist die wichtigste Ressource – auch in der Kunst- und Kulturproduktion. Und mit diesem Stipendienprogramm wird insgesamt 50 freien Kulturschaffenden in Leipzig der Freiraum gegeben, den sie in „normalen Zeiten“ viel zu selten haben, um sich intensiv – und für die Förderdauer ausschließlich – auf ihre Zukunftsprojekte zu konzentrieren. Ein sehr gutes Ergebnis für unsere Stadt, wie wir finden.

Übrigens wird dieses aus der Not geborene Stipendienprogramm sorgsam evaluiert werden und bei erfolgreicher Durchführung sicher dazu beitragen, dass die Palette der Förderinstrumente zukünftig auch in Leipzig um ein wesentliches Element erweitert sein wird.