Auf seiner Versammlung vom 18. Juli hat der Leipziger Stadtrat dem Änderungsantrag Nr. ÄA1 des Fachausschusses Kultur zur Drucksache Nr. V/2115 des Dezernats Kultur mit „sieben Gegenstimmen und einer ganzen Reihe von Enthaltungen“ (LIZ) zugestimmt. Damit ist der Stadtratsbeschluss aus dem Jahr 2008 Geschichte, nach dem die freie Szene ab 2013 mit fünf Prozent des städtischen Kulturhaushaltes zu fördern sei.
Das ist das Ergebnis von fünf Jahren harter Verhandlungen mit den Verantwortlichen der Stadt, unzähligen Gesprächen mit Politikern, Disputen mit dem Kulturamt, Pressegesprächen und Beratungen innerhalb der freien Kulturszene. Ein Erfolg unserer Kampagne „Fünf für Leipzig. Jetzt!“ Ein Erfolg mit herbem Beigeschmack – hart abgerungen einer Stadtverwaltung, die nicht müde wird, die freie Kultur als Markenzeichen Leipzigs zu preisen.
Der gestrige Beschluss sichert der freien Szene eine deutliche Steigerung ihrer Fördermittel zu. Im nächsten Jahr sollen 600.000 Euro mehr ausgereicht werden, in den beiden folgenden Jahren noch einmal jeweils 320.000 Euro dazu gepackt werden. Stolze Summen. Wenn sie denn tatsächlich fließen, die Erfahrung mit dem Stadtratsbeschluss von 2008 rechtfertigt keinen überschwänglichen Optimismus in dieser Frage. Trotzdem – diese Entscheidung ist natürlich ein Erfolg für die freie Szene und für die Arbeit der Initiative Leipzig + Kultur. Ein Erfolg, der ohne die Gesprächsbereitschaft und den Einsatz der Mitglieder des Kulturausschusses nicht möglich gewesen wäre. Das sei fairerweise eingestanden, auch wenn wir uns am Ende nicht auf eine gemeinsam getragene Position einigen konnten.
Ein Erfolg, und trotzdem eine Notlösung. Ein aufgenötigter Kompromiss, denn unser Einverständnis war für den Ratsbeschluss nicht notwendig. Die Initiative Leipzig + Kultur hatte zwei klare Bedingungen für ihre Zustimmung gestellt:
– Die Berechnungsgrundlage für den Kulturhaushalt muss einvernehmlich geklärt werden
– Die im Jahr 2009 in unser Budget zugewidmeten Stellen mit vormalig eigener Haushaltstelle dürfen nicht in die Berechnung einbezogen werden
Beide Bedingungen wurden nicht erfüllt. Wer sich für Details und Zahlen interessiert, kann sich gerne dazu unsere Positionen in Gegenüberstellung zu denen der Stadtverwaltung und des FA Kultur anschauen. Die freie Szene Leipzigs verliert dadurch nicht nur Fördermittel, die im Jahr 2008 zugesagt wurden, sondern auch zwei volle Jahre. Zwei Jahre, in denen nicht nur ein neuer Bürgermeister, sondern auch ein neuer Stadtrat gewählt werden wird, von denen wir nicht wissen, wie sie die Entscheidungen ihrer Vorgänger umzusetzen gedenken. Eine volle Legislaturperiode wird seit 2008 vergangen sein. So lange hat die Stadtverwaltung gebraucht, so lange haben sich Amt, Dezernent und Politiker von uns bedrängen lassen müssen, um einen eigenen Beschluss so zurechtzubiegen, dass sie sich zutrauen, ihn umzusetzen.
So sieht sie aus, die Wertschätzung, die der freien Kultur in Leipzig entgegen gebracht wird. Die Wertschätzung, die OBM Jung auch gestern wieder mit markigen Worten im Stadtrat für sich reklamiert hat. Eine Wertschätzung, die immer dann gegen „drängendere Probleme“ aufgewogen wird, wenn es ums Geld geht. Dabei können Leipziger Kulturpolitiker handeln, wenn sie wollen (sie sagen dann, dass sie es „müssen“). Es gab in den vergangenen 5 Jahren genügend Beispiele, bei denen in viel kürzerer Zeit viel mehr Geld in die Hand genommen wurde.
Uns bleibt nichts weiter übrig, als das Ergebnis der gestrigen Abstimmung zur Kenntnis zu nehmen und unser Handeln daran auszurichten. So viel ist klar: die Oper ist erst zu Ende, wenn die dicke Frau gesungen hat. Bis 2015 gibt es noch viel zu tun für die freie Kultur Leipzigs. Ein Stadtratsbeschluss ist ein Stadtratsbeschluss ist ein Stadtratsbeschluss. Seine Umsetzung das andere.
Die Presseerklärung der Initiative zum Stadtratsbeschluss findet sich hier.